Frohe Weihnachten 2008
Weihnachten ohne Mutter
Seit Jahren läuft das Weihnachtsfest nach denselben Ritualen ab. Unsere Kinder, drei an der Zahl, mit Ehepartner und fünf Enkelkindern kommen Heiligabend zum Mittagessen zu uns. Nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen und nach dem Kirchgang findet die große Bescherung statt. Danach werden die Gechenkeein-gesammelt, und der ganze Besuch fährt nach Hause, um mit den Kindern einige schöne Stunden unterm eigenen Tannenbaum zu verbringen.
Wir sitzen da mit einem Berg von Geschirr und zerrissenem Geschenkpapier. Mit Mühe schaffen wir die Herrichtung der Wohnung für den nächsten Tag. Denn am ersten Feiertag ist die ganze Bagage wieder rechtzeitig zum Mittagessen da. Sie bleiben über Nacht und fahren gegen Abend des zweiten Tages wieder nach Hause. Ich als Ehemann sage immer: „Die fallen wie die Heuschrecken bei uns ein!" - Doch in diesem Jahr ist alles anders. Kurz vor Weihnachten packt meine Frau die Koffer und verreist mit unbekanntem Ziel. Auf dem Küchentisch liegt ein Brief:
„Liebe Kinder", schreibt sie hier, „liebe Kinder, dieses Weihmachtsfest müsst ihr ohne mich verbringen, denn ich bin über Weihnachten nicht zu Hause. Ich verreise ein paar Tage. Wohin ich fahre, sage ich nicht. Ich muss mich einfach mal erholen und will das Weihnachtsfest einmal ganz anders verleben. Unseren Vater konnte ich leider nicht überzeugen, mich zu begleiten, und so fahre ich eben alleine.
Ihr könnt ja gerne Euren Vater und Opa besuchen. Den Ablauf dieser Feiertage kennt Ihr ja, und so werdet Ihr es in diesem Jahr auch ohne mich schaffen. Ich habe zwar keine großen Vorbereitungen getroffen, aber unter Euch sind ja einige perfekte Hausfrauen, die mir immer die guten Ratschläge gegeben haben und die alles besser wissen und besser können als ich.
Die Besucherbetten habe ich mir immer bei unserem Nachbarn Schmidt geliehen und alleine ins Haus geschleppt. Wir können uns die Betten in diesem Jahr wieder ausleihen, nur müsst Ihr sie selber abholen.
Das Festmahl will ich Euch nicht vorschreiben, darum habe ich auch nichts eingekauft. Die Menge für zwölf Personen und drei Tage könnt ihr ja ausrechnen und die Kosten durch drei Familien teilen. - Ich habe immer drei Einkaufstouren mit meinem Kleinwagen gemacht, um die ganzen Waren nach Hause zu bringen. Aber ihr mit Euren großen Limousinen schafft das sicherlich in einer Tour. Da passen die schweren Getränkekisten auch viel besser rein als in meinen Kleinwagen. Es ist für Euch ja alles viel einfacher, und soviel Arbeit machen diese Vorbereitungen ja auch nicht, so habt Ihr immer gesagt, wenn ich mir Sorgen um die Ausrichtung des Weihnachtsfestes machte.
Vielleicht könnt Ihr ja auch in der Gaststätte essen, denn das Abwaschen der Geschirrberge ist doch sehr anstrengend und beansprucht viel Zeit.
Ansonsten könnt ihr ruhig das neue Geschirr benutzen. Ich habe eine „Nachkaufgarantie". Sollten die Kinder mal eine Tasse oder einen Teller an die Wand werfen und es geht etwas zu Bruch, so ist das nicht so schlimm. Die Preisliste liegt in der Schublade,
schreibt bitte auf, welches Teil kaputt ist, und legt den Zettel und das Geld in die Schublade. So kann ich später das Service wieder vervollständigen.
Über eins mache ich mir doch große Sorgen. Wer tritt als Schlichter auf, wenn Ihr Euch bei Euren Diskussionen in den Haaren liegt und ich nicht da bin? Ihr wisst, Euer Vater hält sich aus allen Dingen raus, um seine Nerven zu schonen. Das Beste ist, Ihr haltet Euch alle ein bisschen zurück, auch bei Erziehungsfragen der Kinder. Jeder macht bei der Aufzucht seiner Kinder Fehler. Hier muss ich mir selber auch einige Fehler eingestehen. Aber man kann ja immer dazulernen, und da bin ich jetzt dabei.
Übrigens, diese Reise finanziere ich von dem Geld, das ich sonst für Essen, Getränke und Geschenke ausgegeben hätte. Eine Bitte habe ich noch, ich möchte in diesem Jahr keine Geschenke von Euch. Nehmt doch das Geld, das Ihr immer für Ge-schenkgutscheinefürmich ausgegeben habt und kauft Euch davon selbst ein kleines Weihnachtsgeschenk. So muss ich nicht noch extra Geschenke für Euch einkaufen.
Ich wünsche Euch ein ruhiges, besinnliches Weihnachtsfest! Bis bald! Eure Mutter und Oma."
Quelle:Senioren heute 3/2008
Ich finde diese Geschichte so toll, erinnert mich ungefähr an den Streß, den meine Mutti immer hat, wenn wir Weihnachten bei ihr und Papa sind....Ich mußte sie unbedingt hier reinsetzten.....
